Beziehungen bei Narzissmus und Borderline

Konfliktreiche und schädliche Beziehungen

Wir alle kennen schwierige, komplizierte Beziehungen oder beobachten sie in unserem Umfeld bei Freunden oder Bekannten. Gemeint sind Beziehungen, in denen kein Gleichgewicht zwischen den Beziehungspartnern herrscht. Ein Ungleichgewicht im Geben und Nehmen kann sich in vielerlei Hinsicht bemerkbar machen:

  • Wird vielleicht der eine vom anderen in der Beziehung ausgenutzt oder vernachlässigt?
  • Fehlt es an Wertschätzung oder ist sogar körperliche Gewalt im Spiel?

Konfliktreiche oder schädliche Beziehungsdynamiken können sich oft unbemerkt einschleichen, bis sie zur Gewohnheit werden. Dies zehrt langfristig enorm an der eigenen Energie und senkt insgesamt die Lebensqualität.

Narzisstische Verhaltensweisen in der Beziehung: Idealisierung und Abwertung

Eine Abwertung kann auf vielen unterschiedlichen Arten sehr deutlich oder subtil vermittelt werden. Beleidigungen und andere Geringschätzungen lassen viele Menschen an sich zweifeln. Dabei ist oft der Fall: Jemand, der sich überlegen fühlen will, setzt alles daran, dass sich der andere unterlegen und minderwertiger fühlen soll, um sich selbst aufzuwerten. Regelmäßige Abwertung kann den Selbstwert eines Menschen negativ beeinflussen.

Idealisierung und Entwertung: Nicht nur regelmäßige Abwertung in einer Beziehung schaden dem Ich, auch ein krasses Schwanken zwischen den Extremen „Du bist so toll, bleib bei mir!“ und „Du bist schuld, lass mich in Ruhe!“ haben beträchtlichen Einfluss auf unser Selbstwertgefühl und gleichen einer Achterbahnfahrt der Gefühle. Ein Abwechseln von Schuldzuweisungen und Beleidigungen gefolgt von Entschuldigungen und Liebesbeweisen, kann zusätzlich eine emotionale Abhängigkeit zu dieser Person begünstigen. Dies macht eine Trennung von dieser Person dann umso schwieriger.

Wie erkennen Sie, dass sie sich in einer schädlichen Beziehung befinden?

Sie erleben die Gespräche mit Ihrem Beziehungspartner/Ihrer Beziehungspartnerin als anstrengend oder fühlen sich dabei unsicherer als sonst, haben bei der Person häufiger Schuldgefühle oder verspüren Ärger und Aggression. Erpressungen oder Drohungen in Kombination mit emotionaler Abhängigkeit bedeuten psychischer Missbrauch, sogenannter Psychoterror. Aber: es ist durchaus möglich, sich vor diesen schädlichen Beziehungen zu schützen!

Was Sie benötigen, ist ein passender Selbstschutz und ein Bewusstsein für die Beziehung, die Sie führen.


Hinterfragen Sie die Beziehung und beobachten Sie Ihr eigenes Verhalten:

  • Fühlen Sie sich von Ihrem Partner/Ihrer Partnerin geliebt?
  • Welche Persönlichkeitseigenschaften haben Sie, welche hat Ihr Beziehungspartner/Ihre Beziehungspartnerin?
  • Passiert es häufiger, dass Sie mit schwierigen/schädlichen Beziehungen zu kämpfen haben?
  • Was ist Ihr Anteil, dass Sie immer wieder mit beziehungsgestörten/persönlichkeitsgestörten Personen in Kontakt treten?

Das Minderwertigkeitsgefühl und seine Überwindung

Ein Minderwertigkeitsgefühl ist ein Gefühl der Unvollkommenheit, ein wahrgenommenes Defizit in Form einer körperlichen oder geistigen Schwäche, das überwunden werden möchte. Von Geburt an sind wir auf andere Menschen (Eltern oder andere Bezugspersonen) angewiesen, wir erleben uns als unterlegen und entwickeln ein notwendiges Geltungsstreben.

Dies kann sich in gesunder Form äußern, wenn z.B. ein querschnittsgelähmter Mann anstrebt, Motivationstrainer für Sportler zu werden. Die Kompensation der Schwäche kann in diesem Beispiel gut gelingen und das Defizit ausgeglichen werden: der Mann kann trotz seiner körperlichen Einschränkung in der Sportbranche erfolgreich sein.

Doch nicht immer verläuft die Überwindung einer Schwäche so einfach. Eine Fehlentwicklung, also eine Überkompensation der persönlichen Schwäche, zeigt sich in einem übermäßig stark entwickelten Leistungs- und Machtstreben. Es wird quasi über das Ziel hinausgeschossen. Ein ausgeprägter Minderwertigkeitskomplex findet sich in allen Formen psychischer Erkrankungen.

Wissenswertes zu Persönlichkeitsstörungen: Narzissmus und Borderline

Persönlichkeitsstörungen entstehen früh in der Kindheit und können sich zu schweren Diagnosen mit starken Leidenszuständen ausprägen. Es gibt unterschiedliche Auslöser und das Entstehen ist meist multifaktoriell. Ein Anteil ist genetisch bedingt, ein anderer Teil wird durch das Umfeld, durch Gesellschaft und Familie bedingt, in welcher ein Mensch aufwächst. Dabei ist zu erwähnen, dass nicht nur die Betroffenen einer Persönlichkeitsstörung einen emotionalen Leidenszustand erleben, auch das soziale Umfeld (Familienangehörige, Freunde, Arbeitskollegen, etc.) spürt die Auswirkungen.

  • Welche Erfahrungen hat ein Mensch gemacht? Gab es einschneidende traumatische Erlebnisse (z.B. Tod eines Nahestehenden, Krankheit, Jobverlust, zu stark behütende Erziehung oder Vernachlässigung in der Kindheit, etc.)?
  • Mit einem tieferen Blick auf die Kindheit eines Menschen und einem Fokus auf die ersten Beziehungssysteme, die er erfahren hat, lässt sich eine Persönlichkeitsanalyse aufstellen. Da Persönlichkeitsstörungen wie Narzissmus und Borderline schon früh in der psychischen Entwicklung entstehen und sich oft durch das ganze Leben der Betroffenen erstrecken, ist viel Aufdeckungsarbeit in der Psychotherapie notwendig.

Gesund oder Krank? Wo lässt sich die Grenze ziehen?

Die aktuellen Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV ordnen Krankheiten und Symptome. An diesen Diagnosekriterien orientieren sich alle ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen und PsychologInnen. Der Grundsatz gilt: Wenn ein Verhalten eines Menschen ihm selbst oder anderen schadet und ein Leidenszustand besteht, kann man von Krankheit sprechen.





stimmungsbegleitendes Bild

Literatur:

  • Wörterbuch der Individualpsychologie (Brunner&Titze, 1995)
  • Narzißmus (Kohut, 1976)
  • Borderline-Störungen und pathologischer Narzißmus (Kernberg, 1978)
  • Das Borderline-Syndrom (Rohde-Dachser, 2003)
  • Multiple Persönlichkeiten (Huber, 2010)
  • Persönlichkeitsstörungen (Fiedler&Herpertz, 2016)